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Der lange Sechser

   
   

 

Ein Rückblick auf ein über 30 Jahre altes Projekt -
Ende gut, alles gut

 
Nachdem 1969 die Strecke des "6ers" von der Kreuzung St. Peter Hauptstraße/Petersbergenstraße zum Schulzentrum St. Peter zurückverlegt wurde, kam in den frühen Siebzigern zum ersten Mal die Idee auf, die Strecke zur Eisteichsiedlung zu verlängern. Eine negative Volksbefragung, drei Bürgermeister, mehrere Verkehrsstadträte und über 30 Jahre brauchte es, bis es zur Realisierung kam.

Was ist die Eisteichsiedlung? Die Eisteichsiedlung entstand in den Jahren 1959-1965 durch die Österreichische Wohnbaugenossenschaft (ÖWG). Sie umfasst 40 Objekte mit insgesamt 700 Wohnungen. Heute beherbergt sie mit der angrenzenden Terrassenhaus- und Prof.-Franz-Spath-Siedlung, die die neue 1,8km lange Straßenbahnstrecke nun erschließt, über 10 000 (!) Einwohner.

Fraglich bleibt bis heute, wieso ein Projekt dieser Dimension in Graz ohne vernünftigen öffentlichen Verkehrsanschluss realisiert wurde. Bis zur Inbetriebnahme der Straßenbahnstrecke war dieses dicht besiedelte Gebiet ohne direkten öffentlichen Verkehrsanschluss in die Grazer Innenstadt.
Wie kam es dazu, dass die Realisierung solange auf sich warten ließ?
Bei diesem Straßenbahnprojekt handelt es sich um das älteste und umstrittenste von allen in Graz. Bis in die Neunziger sollte es dauern, bis das Projekt in die Gänge kam. Die Kosten dafür waren damals mit ca. 200 Millionen ATS (heute ca. 14 Mio. Euro) veranlagt und sogar die Schienen waren schon bestellt. Doch dann sammelten Bewohner der betroffenen Straßenzüge Unterschriften gegen das Projekt.
 

 

Gründe für die Unterschriftenaktion im Jahre 1996:

 
1.
Die untere Eisteichgasse bzw. der St. Peter-Pfarrweg sind so schmal, dass durch den Bau der Strecke und der dadurch verbundenen Entfernung von Parkplätzen und Vorgärten, die Einwohner betroffener Häuser die Straßenbahn wortwörtlich vor ihrer Haustüre gehabt hätten.

 

2. Nun, im speziellen, zum St. Peter-Pfarrweg. Dieser Weg kann nur in Richtung Süden befahren werden. Die Buslinie 63, die einzige Linie die dieses Gebiet seit 1988 erschließt, kann aufgrund der geringen Breite gerade noch an den parkenden Autos vorbeifahren. Ein Problem für eine Verbreiterung stellt der auf der östlichen Seite des Wegs vorhandene Naturpark (Eustacchio-Gründe) dar. 

Die Familie Eustacchio hat vor Jahrzehnten einen Vertrag mit der Stadt Graz geschlossen. Darin steht, dass dieses Gebiet weder für industrielle noch für gewerbliche Zwecke genutzt werden darf. D. h., dass kein Meter dieses Naturgebietes entfernt werden darf, um den Weg zu verbreitern.

3. Die Versorgung des Gebiets mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Als Grund gegen das Ausbauprojekt wurde die Versorgung des Gebiets mit 4 Buslinien genannt. Dieses Argument kann nur von Personen genannt worden sein, die tagtäglich nur mit dem Auto unterwegs sind, da jede dieser Buslinien mindestens ein Manko vorzuweisen hat.

 

Buslinie

Anmerkungen

Takt in min

63 Wichtigste Buslinie dieses Gebiets  (Hauptbahnhof - Eisteichsiedlung). Allerdings sind Verspätungen von bis zu 45min keine Seltenheit. Vor allem im Früh- und Abendverkehr geht in einigen Straßenzügen überhaupt nichts mehr. Eine schnelle Lösung ist scheinbar nicht in Sicht.  15
89 Diese Linie (Eisteichsiedlung - Kaiser-Josef-Platz) verkehrt nur bis zur Eisteichgasse und auch ihr langer Intervall ist kein Anreiz auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Sie verkehrt Mo-Fr bis 20:00 und Sa bis 13:00. 30
68/69 Diese Linien fahren nur durch die Peterstalstraße. Fahren also eher am strittigen Gebiet vorbei. 60 bzw. 15

 
 

 
Volksbefragung - das Volk hat immer Recht?

 
Im Jänner 1997 wurde dann eine Volksbefragung durchgeführt, die gegen das Projekt ausfiel (55,6% dagegen, 44,4% dafür).
Grund dafür war auch die verwirrende Fragestellung:
 

"Treten Sie dafür ein, dass die von der Stadt Graz geplante Verlängerung der Linie 6, die in dieser Form nicht zur Lösung der bestehenden Verkehrsprobleme beiträgt, nicht zur Ausführung gelangt?


Daraufhin ruhte das Projekt wieder mehr als ein halbes Jahrzehnt, auch wurden die 200 Mio. ATS für andere Zwecke verbraucht.
 

 

Ein Neuanfang?

Im Sommer 2000 wurde das Ergebnis der Volksbefragung per Verfassungsgerichtsbeschluss für ungültig erklärt (s. Bericht in der "Kleinen Zeitung" vom 07.12.2000). Grund dafür war die oben genannte Fragestellung bei der Befragung.

Diese Fragestellung wurde von den Straßenbahngegnern gewünscht und schließlich auch von der Stadt Graz genehmigt. Dabei dürfte es keinen mehr überraschen, dass auch nur die Bewohner des Bezirks St. Peter wahlberechtigt waren, der nördlich an die Trasse angrenzende Bezirk Waltendorf aber ausgeschlossen blieb. So kam es, dass es in dem Bezirksteil von St. Peter, der von der Strecke profitiert, zwar eine Mehrheit für die Verlängerung gab, insgesamt die Befürworter aber in der Minderheit blieben.

Nach der Gemeinderatswahl 2003 sah es anfangs so aus, als würde auch in dieser Legislaturperiode alles beim Alten bleiben. Doch die aktuelle Feinstaubdebatte und politischer Wille ließen das Projekt innerhalb von drei Jahren, wie die Verlängerung der Linien 4 und 5, Wirklichkeit werden. Im Frühjahr 2005 wurde das Projekt beschlossen, im Sommer 2005 erfolgte der Spatenstich unter Anrainerprotesten.

Durch günstige Witterung konnte die Strecke statt im Frühjahr 2008 bereits am 09.11.2007 eröffnet werden (s. Netzplan).

Mit der Verlängerung des "6ers" fand auch der seit 1974 andauernde allabendliche Ersatz der Straßenbahn zwischen St. Peter und Jakominiplatz durch die Buslinie 36 (zuvor Buslinie M) ihr Ende. Seither verkehrt statt der Linie 6 zwischen St. Peter und Jakominiplatz ab 20:00 die Straßenbahnlinie 26. Die Buslinie 36 wird Mo-Sa ab 20:00 und So ganztags mit der Buslinie 63 verknüpft (Linie 63A Hauptbahnhof - Raaba/ÖBB).

 
      Seite aktualisiert am Sonntag, 15. Februar 2015      
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