Diese
Seite widmet sich einem Naherholungsgebiet für die Grazer Bevölkerung, welches in den
Anfangsjahren seiner touristischen Erschließung mittels der
Straßenbahnlinie 3 und
eines Sessellifts erreicht werden konnte.
Der Grazer Hausberg - nur ein
Hausberg?
"Welcher
Berg ist der Grazer Hausberg?"
Diese Frage beantwortet die überwältigende Mehrheit der Grazer mit
"Schöck(e)l", aber es gab einen zweiten Grazer Hausberg,
der aber im Stadtgebiet liegt und sich in einem unfreiwilligen Dornröschenschlaf
befindet - der Plabutsch. Die wechselhafte Geschichte der Erhebung und seiner
touristischen Nutzung als auch seine Aufgabe als Naherholungsgebiet für die
Grazer Bevölkerung im 20. Jahrhundert soll hier ausschnittsweise erzählt werden.
Von 1954 bis 1957 konnte der
Sessellift durch die
Straßenbahnlinie 3 von der Grazer Innenstadt aus erreicht
werden, danach nur mehr durch Autobuslinien.
Kurzgeschichte des privat
betriebenen Lifts:
1er Sessellift[1] (825m Länge; 86
Sessel[2],
10 Stützen)
Fahrzeit: 6min[3]
Herstellfirma: Girak (Korneuburg)
Eröffnung am 01.05.1954 (10:00 Uhr)[4]
Schweres Liftunglück am 02.04.1956 um ca. 17:00 Uhr[5][6][7] (1 Toter, mehrere
Schwerverletzte - einen ausführlichen Bericht über das Unglück
finden sie
hier)
Online-Zeitungsberichte zum Unglück (externe Links):
Arbeiter-Zeitung:
04.04.1956,
08.04.1956,
12.04.1956
(unfreiwillige) Außerbetriebnahme: Dezember 1971
Die Talstation existiert bis heute in beschämendem Zustand beim Marktannerweg in Gösting. Die Reste der
Bergstation ("Fürstenstand") wurden Ende der 1990er abgerissen.
Fotos zur Lifttrasse finden sie
hier.
Fotos zur Talstation finden sie
hier.
Fotos zur Bergstation finden sie
hier.
Lifttrasse
Die Grazer Berufsfeuerwehr
Zu einer Zeit als die tourismusmäßige Erschließung der steirischen Berge mittels
Seilbahnen noch in den Kinderschuhen steckte, wurde in Graz der privat
betriebene Sessellift Plabutsch eröffnet. Im selben Jahr wurde wenige
Wochen zuvor
in Aflenz ebenso ein Einersessellift eröffnet. Die Grazer Berufsfeuerwehr
führte kurz nach der Eröffnung auf dem Plabutsch eine Rettungsübung durch,
um Erfahrungswerte im Falle eines Unfalls zu sammeln. Keine zwei Jahre
später sollte aus der Übung bitterer Ernst werden...
Bis zur unfreiwilligen "vorläufigen" Stilllegung wurden immer wieder neue
modernere Rettungstechniken erprobt bzw. verfeinert, zuletzt im September 1970. Die
folgenden Bilder stammen von der ersten Rettungsübung überhaupt.
Vielen Dank an Herrn Schrank von der Grazer Berufsfeuerwehr für die
Möglichkeit diese Fotos online stellen zu dürfen.
Das Liftunglück
Der Lift wurde am Tag der Arbeit 1954
am Vormittag eröffnet. Am ersten Wochenende wurden bereits über 2000 Fahrgäste
befördert. Bis zum Ostermontag, dem 2.
April 1956, waren es über 220.000.
Kurz nach 17:00 wollte eine
körperbehinderte Dame in der Bergstation zusteigen.
Dazu wurde der Lift gestoppt und die 1. Bremse (Vorgelege-Bremse, der Aufbau ähnelt einer
Autobremse mit Bremsbacken, die um das Rad greifen) betätigt. Dieses
Magnetbremse setzt automatisch ein, wenn die Geschwindigkeit 10 % der
Normalgeschwindigkeit überschreitet.
Der Lift blieb für kurze Zeit stehen, geriet daraufhin aber wieder in
Bewegung und beschleunigte innerhalb weniger Sekunden auf das Fünffache
seiner Normalgeschwindigkeit. Die Sessel rasten dabei 100m talwärts. Dabei
wurden zwei Insassen des Lifts bei der Talstation gegen die rechts im Bild
sichtbaren Säulen geschleudert und schwer verletzt. Zwei andere
Insassen konnten kurz vor bzw. in der Talstation noch rechtzeitig
abspringen und kamen so mit leichten Verletzungen davon.
Die für solche Situationen gedachte 2. Bremse (Fallgewichtsbremse, es
handelt sich dabei um eine mechanische Bremse) sollte bei einer Abweichung
von 15 % der Normalgeschwindigkeit automatisch einsetzen - auch sie versagte
- vorerst. Beide Bremsen waren an einen Geschwindigkeitsmesser gekoppelt und
sollten so automatisch einsetzen. Bei den Untersuchungen nach dem Unglück
stellte man fest, dass dieser funktionsuntüchtig war.
Der für den Sessellift zuständige Betriebsleiter, der fünf Jahre zuvor bei
der Schöckelseilbahn AG tätig gewesen war, hatte die Anlage erst am
31.03.1956 nach Überprüfung übernommen.
Er befand sich zum Zeitpunkt des Unglücks 30m von der Bergstation entfernt.
Als er die zweite Bremse mit den Händen ziehen wollte bemerkte er, dass sich
die Bremse nicht im funktionstüchtigen Zustand befand, da eine Kette nicht
eingehängt war. Nachdem er dieses korrigiert hatte blieb die Anlage abrupt
stehen - zu rasch.
Da der Lift nur talwärts
belastet war, stoppte die Anlage ruckartig, wodurch das Seil talwärts aus
der
Stütze 9 nahe der Bergstation ausgeklinkt wurde.
Zwischen den Stützen 8 und 9 wurde ein Mann durch das Auf- und Abschaukeln
des Seiles aus seinem Sessel geschleudert, stürzte 5 bis 10m in die Tiefe
und landete kopfüber auf dem Felsboden. Er erlag seinen schweren
Kopfverletzungen kurz nachdem er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Bei den späteren
Untersuchungen stellte sich heraus, dass sich die Sicherheitseinrichtungen
an den Sesseln bei ruckartigen Bewegungen von selbst öffnen konnten! Bis zum
Abend bargen die Einsatzkräfte der
Grazer
Berufsfeuerwehr 48 Personen.
Als Ursache des Unglücks
wurden grobe Wartungsfehler bei der Liftanlage festgestellt.
Da die erste Bremse einem natürlichem Verschleiß unterliegt, hätte diese
nachgestellt werden müssen. Bei der zweite Bremse wurde festgestellt, dass
sie falsch geschmiert und der Geschwindigkeitsmesser fehlerhaft war.
Zudem kam die Frage auf, wieso das Landesbauamt bei der Kommissionierung der
Anlage keine Bremsproben bei einseitiger Belastung durchgeführt hat. Nach
dem Unglück wurde dieser Belastungstest mit talseitiger Belastung
durchgeführt. Dazu wurde auf jeden talwärts fahrenden Sessel ein Sandsack,
der dem Durchschnittsgewicht eines Fahrgastes entspricht, geladen.
Bei 20 belasteten Sesseln blieb die Anlage nach Betätigung der ersten Bremse
sofort stehen, bei 30 jedoch nur kurz und geriet daraufhin sofort wieder
unkontrolliert in Bewegung, sodass die zweite Bremse händisch betätigt
werden musste.
Erreichbarkeit der Talstation
1954-1957:
Straßenbahnlinie 3: Haltestellen Gösting und
Volksschule (beide bis 1955)
Haltestelle Iberererstraße (bis 1957)
1955-1971:
Buslinie G:
gleiche Haltestellen wie bei der Straßenbahnlinie 3
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