Das
"Jubiläum"
Ein rundes "Jubiläum", dass
schon 2007 begangen wurde, war die Stilllegung der Linie 3 nach Gösting im Jahre
1957. Da 2008 das Jubiläum "130 Jahre Straßenbahn in Graz" gefeiert wird
(8. Juni), finde
ich es mehr als angemessen in solch einem besonderen Jahr nachträglich an dieses
traurige Ereignis zu erinnern, da durch die Stilllegung der Strecke nach Gösting das Straßenbahnnetz um ca. 6km oder um
ein Siebtel seiner damaligen Größe schrumpfte. Von 1955 bis 1957 verlor der
"3er" so 80% seiner Stammstrecke, Gösting und Lend seine
"Bezirkslinie".
Es handelt sich dabei um
die einzige Stilllegung einer Straßenbahnstrecke in Graz bei der es heißt, dass
sie aus "finanziellen Gründen" (Geld zur Sanierung der Gleise fehlte)
erfolgt ist. Aus heutiger Sicht wäre wahrscheinlich das Streckenstück ab
Bahnhofgürtel Richtung Gösting (obere Wiener Straße - Exerzierplatzstraße - Anton-Kleinoscheg-Straße - Schloßplatz) spätestens in den Sechzigern
herausgerissen worden. Grund wäre der vierspurige Ausbau der oberen Wiener
Straße gewesen. Selbst wenn man gewollt hätte, hätte sich dort aus Platzmangel keine eigene (eingleisige) Trasse realisieren lassen.
Was aber bleibt, ist die
sinnlose Stilllegung der Strecke Griesplatz - Fröbelpark (das Streckenstück
Griesplatz - Jakominiplatz wurde bis 1971 noch von der Linie 6 befahren).
Befindet sie sich doch bis heute bis auf die Rösselmühlgasse nicht einmal im
Hauptverkehrsstraßennetz. Selbst wenn man diesen Straßenzug als Grund für die
Stilllegung hernehmen will, dann wäre die Strecke wenigstens ab Roseggerhaus zu
erhalten gewesen.
Sicher, Gösting war in
den Fünfzigern mehr ein Dorf als ein Außenbezirk der Stadt Graz. Heute sieht das
anders aus. So gibt es entlang der damaligen Strecke die HTL-BULME und mehrere
Großsiedlungen. Insgesamt leben heute ca. 10 0000 Menschen in Gösting. Auch
verkehrt heute entlang der früheren Straßenbahnstrecke die einzige Buslinie
(Linie 40), die bis ca. 24:00 den öffentlichen Verkehr in Gösting sicherstellt.
Die
Erinnerung
Wie oft habe ich mir schon
vorgenommen, einfach ältere Menschen in Gösting und Lend anzusprechen und zu befragen, ob
sie sich noch an die Straßenbahn oder an deren Überbleibsel nach ihrer
Stilllegung erinnern können. Einfach Erinnerungen zu erfahren, sie auf meiner
Website niederzuschreiben und so der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.
Bisher blieb es aus verschiedenen Gründen nur bei der Idee, die ich aber die
nächsten Jahre noch realisieren will. Da ist einfach dieses Gefühl in einem -
etwas gedanklich zu erleben - was man nicht gelebt haben kann.
Damals wie Heute ließe sich
mit der Linie 3 eine kleine "Weltreise" durch die Wohnviertel der armen und
reichen Grazer machen. Am einen Ende der Strecke der noble Schillerplatz mit
seinen Gründerzeitvierteln, entlang der Arbeiter- und Ausländerbezirke Gries und
Lend, um am anderen Ende bei der durch die von Verkehr, Wohnsilos und
Arbeiterhäusern geprägte Wiener Straße zu landen.
Der
Schaden
Wenn man alle
stillgelegten Straßenbahnstrecken in Graz hernimmt und dabei bedenkt was der Bau
einer Straßenbahnstrecke heute kostet, wurde damals Volksvermögen im Werte von
einigen hunderten Millionen Euro herausgerissen (s.
Gleisreste) oder
asphaltiert um
dem Autowahn zu huldigen.
Man hat nichtsdestotrotz
aus diesen Fehlern gelernt. Nachdem die Stadt Graz innerhalb von weniger als
fünf Jahren drei Streckenverlängerungen realisiert hat. Drei von vieren die die
Stadt seit der Übernahme der Straßenbahn im Jahre 1948 überhaupt bisher zustande
gebracht hat. Gründe dafür sind u. a. die "Feinstaubdebatte", ausgelöst durch
neue Grenzwerte, die durch die EU festgelegt wurden und die sehr späte
Erkenntnis der Grazer Politiker, dass die Zukunft der Mobilität in Graz im
"Miteinander" und nicht im "Individualismus" zu finden ist.
Die
Zukunft
Der
nächste Ausbau des Straßenbahnnetzes, soll neben einer Strecke in den Südwesten
von Graz und zur Uni-Graz auch den Nordwesten, also
Lend und Gösting,
umfassen. Gab es diesbezüglich seit den Siebzigern immer wieder Pläne (s.
Ausbau Linie 3),
so sieht es derzeit aus, dass die neue Strecke ziemlich identisch mit der alten
Streckenführung sein dürfte.
Änderungen in der Streckenführung werden sicherlich die
obere Wiener Straße umfassen. Zudem ist (noch) geplant die Strecke ab
Keplerbrücke über Lendplatz und nicht ab Jakominiplatz über Griesplatz zum
Lendplatz beginnen zu lassen. Diese Streckenführung bringt einerseits keine
Entlastung für die Herrengasse, die ihrerseits eine Intervallverdichtung der
anderen Straßenbahnlinien ermöglichen würde. Zudem müsste weiterhin eine
Buslinie die Strecke Lendplatz - Griesplatz befahren. Dies würde wiederum
bedeuten, dass die Bewohner von Lend, zum ersten Mal seit einhundert(!) Jahren
keinen direkten Anschluss mehr zur Annenstraße, Griesplatz und weiter zum
Jakominiplatz hätten. Kein guter Plan, wenn man die Annenstraße und den
Griesplatz aufwerten möchte.
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