ÖPNV
                   Öffentlicher
                   PersonenNahVerkehr
 
 

Konzeptlosigkeit und Sparen am falschen Ende -
Schildbürgerstreiche im Namen der GVB

(heutige Holding Graz Linien)

   
   


Über die Abhängigkeiten der GVB

Seit 2010 firmieren die früheren Grazer Stadtwerke, denen die öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt Graz als "GVB" (Grazer Verkehrsbetriebe) angehörten, als "Holding Graz", die "GVB" als "Holding Graz Linien".
Zwischen 1960 und 2010 handelte es sich bei den Stadtwerken um eine Aktiengesellschaft, seit 2010 um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Wozu die ganzen Informationen? Bei einer AG gibt es einen eigenen Vorstand, der vom Eigentümer unabhängig agieren kann. Bei einer GmbH gibt es zwar mitunter auch einen Vorstand, der jedoch nicht unabhängig ist. D. h. der Eigentümer greift so viel leichter in das Tagesgeschäft ein, agiert so wie z. B. die Stadt nicht nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen (möglichst Gewinn machen, keine Verluste) und engt so den Handlungsspielraum des Vorstands ein.

Die Straßenbahn ist seit 1948 städtisch. Die 1950er sind entscheidend für die Straßenbahn gewesen. Vom Voreigentümer wurde die Straßenbahn die letzten Jahre auf Verschleiß gefahren, der zweite Weltkrieg und die dadurch entstandenen Schäden haben das Übrige zum schlechten Zustand an Gleisnetz und Fuhrpark beigetragen. Das Vermögen, dass der Stadt durch die eingelösten Verträge anheim fiel, wurde jedoch nicht in Instandhaltung und Erneuerung investiert, sondern zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet.
So darf es nicht verwundern, dass es Überlegungen gab das Netz komplett stillzulegen, oder sich die Instandsetzung einzelner Strecken zu ersparen und auf (O-)Busbetrieb umzustellen, wie es dann auch gemacht wurde. Der Weg dorthin war jedoch von Konzeptlosigkeit und Sparen am falschen Ende geprägt.
 

Strecken, die auf (O-)Bus umgestellt wurden
Hauptbahnhof - Keplerstraße - Wormgasse (Linie 2; 2 km Länge)
Gösting - Griesplatz (Linie 3; 5,8 km Länge)
 
 

 
 
Linie 2 - oder: das bisschen Fussweg ist doch kein Problem

Am 31.12.1953 entdete für immer der Beiwagenbetrieb auf der Linie 2. Mit 01.01.1954 begannen die Bauarbeiten für die Neugestaltung des Bahnhofplatzes. Hierzu wurden am südlichen Ende die Baumaterialien gelagert, wodurch die bisherige Schleife nicht mehr genutzt werden konnte. Die GVB mussen daher im Norden des Platzes ein zweijähriges Provisiorium errichten.
Folglich musste die Gleisverbindung zwischen Keplerstraße und Bahnhofplatz unterbrochen werden. Der "2er" wendete somit mit Solotriebwagen in der Keplerstraße mittels dort vorhandenem Gleiswechsel. Schon 1953 konnte Zeitungen entnommen werden, dass die Strecke nicht nur temporär unterbrochen wird, aber erst im Frühjahr 1956 entschloss sich der Gemeinderat dazu die Unterbrechung beizubehalten.

Gründe waren hierfür:
statt der Straßenbahnlinie 2 sollte eine O-Buslinie durch die Keplerstraße verkehren. Die restliche Strecke bis zur Wormgasse (Lendplatz - Keplerstraße - Keplerbrücke - Wickenburggasse - Humboldtstraße) sollte auf Busbetrieb umgestellt werden. Die gesamte Strecke wurde daher nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr erneuert.
Durch den Wegfall der Straßenbahn ließe sich auch die Fahrbahndecke auf der neu zu errichtenden Keplerbrücke einfacher gestalten und so Kosten einsparen. Der Neubau der Keplerbrücke 1962 war dann der Grund für die Stilllegung der Straßenbahn in der Keplerstraße.
Errichtung einer O-Busschleife innerhalb der neuen Straßenbahnschleife auf dem Bahnhofplatz. Der Hauptbahnhof sollte zu einem Umsteigeknoten für das auszubauende O-Busnetz werden.
Kostenersparnis: die Gleisverbindung Keplerstraße - Bahnhofplatz hätte sich mit 400.000 Schilling zu Buche geschlagen. Diese ließen sich durch die Kürzung des "2ers" bis zur Wormgasse einsparen. Statt der O-Busschleife innerhalb der Straßenbahnschleife auf dem Bahnhofplatz, sollte eine Schleife zwischen Keplerstraße und Baumkircherstraße errichtet werden. Das hätte die Kosten für die Neugestaltung des Bahnhofplatzes nochmals um 200.000 Schilling reduziert.

Bis auf die Stilllegung der Linie 2 in der Keplerstraße im Jahre 1962, 1963 erfolgte die Kürzung bis zur Wormgasse, wurde nichts von den Plänen realisiert. Von 1954 bis 1962, also über acht Jahre mussten die Fahrgäste einen Fußweg von ca. 200 m zurücklegen um vom "2er" in der Keplerstraße in den "2er" am Bahnhofplatz (= heutiger Europaplatz) in Richtung Annenstraße umsteigen zu können.
Es sei erwähnt, dass der "2er" am Bahnhofplatz vor dem 2. Weltkrieg immer schon gewendet hat, also  eine Direktfahrt von der Kepler- in die Annenstraße und umgekehrt nie möglich war.

Fußweg von der Keplerstraße zum Bahnhofplatz

 


 
 

Linie 3 - oder: zum Abschied nochmals die alten Gleise

1957 war der Zustand der Gleise auf der Strecke Griesplatz - Ibererstraße zu zwei Dritteln so schlecht, dass eine sofortige Stilllegung der Strecke zur Diskussion stand, die in Etappen noch im selben Jahr realisiert wurde, jedoch nicht ohne Schildbürgerstreiche.
Anmerkung: bis 1955 verkehrte der "3er" bis zum Schloßplatz in Gösting. Die 1,3 km lange Streckenkürzung erfolgte aufrund des schlechten Gleiszustands und der zu hohen Kosten für eine Sanierung.
 

besonders problematischeStreckenabschnitte
(äußere) Wiener Straße ab Kalvariengürtel - Ibererstraße
    (1,3 km Länge)
Elisabethinergasse
    (die Pilotenwand zum Mühlgang hin drohte unkontrolliert einzubrechen, die Straßenbahntrasse
    abzurutschen)

 
Streckenabschnitt Wiener Straße ab Kalvariengürtel bis Ibererstraße

Dieser Abschnitt war besonders desolat. Die Gleise waren komplett abgefahren. Als Fahrbahndecke zwischen den Gleisen fungierte Katzenkopfpflaster ("Murnockerln"). Dieses Pflaster war verkehrstechnisch völlig veraltet, zudem hatte sich die Straßenbahntrasse infolge ständiger Belastung abgesenkt, sodass die komplette Strecke eine Gefahrenstelle war. Beides war der Grund für zwei Verkehrsunfälle. Damit es zu keiner Anklage kommt, hervorgerufen durch einen weiteren Unfall, mussten die GVB die Gleiseanlage bis 30.04.1957 gemäß Behördenauflagen sanieren.

Die Kosten für eine Komplettsanierung der Strecke (Griesplatz -) Roseggerhaus - Ibererstraße (Länge: ca. 3,5 km; der Abschnitt Hackhergasse - Kalvariengürtel (Länge: ca. 0,7 km) wurde vor wenigen Jahren saniert) beliefen sich auf 10 Mio. Schilling. Geld, das man nicht hatte. Für Gleissanierungen standen für die Jahre 1955 - 1958 insgesamt 20 Mio. Schilling als Kredit zur Verfügung. Die Sanierung der Strecke stand jedoch nicht auf dem Plan.
Eine eventuelle Sanierung der Strecke ohne Betonunterbau, mit alten Gleisen hätte sich mit 1,7 Mio. Schilling zu Buche geschlagen. Die Komplettsanierung der Strecke hätte somit um 2-3 Jahre hinausgezögert werden können. Für diese Sanierung gab es jedoch auch keine Deckung.

 

Strecke (Griesplatz - ) Roseggerhaus bis Ibererstraße

Im Falle der Sanierung wäre die Straßenbahntrasse zwischen Kalvariengürtel und Ibererstraße von der Ostseite der äußeren Wiener Straße in Mittellage verlegt worden. So kam es anders. Da man sich nicht sicher war, dass die äußere Wiener Straße in den nächsten Jahren ausgebaut wird (1970/72 realisiert), es kein Geld für die Neuverlegung von Gleisen auf Betonunterbau gab, entschlossen sich die GVB zu folgendem Plan:

Ausbau der alten Gleise

Befestigung des Untergrunds

Wiedereinbau
der alten (!) Gleise.
    Es war zu diesem Zeitpunkt klar, dass keine Straßenbahnen mehr auf diesen Gleisen werden
    verkehren können.

Ersatz des Katzenkopfpflasters durch Mischgutbelag.

 
Folglich wurde der "3er" ab 01.04.1957 bis zum Kalvariengürtel gekürzt um am 23.06.1957 letzmalig die eigene Strecke ab Griesplatz überhaupt zu befahren.
Zu diesem Zeitpunkt war es noch nicht sicher, dass der "3er" nach Gösting unwideruflich eingestellt wird, auch wenn die Jahre zuvor darüber geschrieben wurde, dass bei passender Gelegenheit die Straßenbahn als Verkehrshindernis aus der äußeren Wiener Straße zu entfernen sei.
So wurde die Strecke 1957 "vorläufig" stillgelegt, da das Geld für die Sanierung der Gleise fehlte. Den 10 Mio. Schilling für die Gleissanierung standen 3,67 Mio Schilling für die Anschaffung von neuen Autobussen inkl. der Verlängerung der O-Busstrecke von der Elisabethinergasse bis zum Jakominiplatz (verlängert wurde aber nur bis Griesplatz) gegenüber.
Mit der Verlängerung des O-Busses zum Griesplatz nach der Stilllegung des "3ers" nach Gösting 1957 wurde die Oberleitung der Straßenbahn in der Rösselmühlgasse heruntergenommen und so ein Straßenbahnbetrieb nach Gösting unmöglich. 1960 wurde die Stilllegung dann offiziell.
 
 

 
 
 

Linie 3 - oder: Alles hat ein Ende, aber was ist mit der Mitte?

Dieser Bericht hängt eng mit dem vorigen zusammen. 1952 wurden die Gleise in der Hackhergasse erneuert, also fünf Jahre vor der Gesamteinstellung der Linie 3 nach Gösting. Mit der Erneuerung der Gleistrasse auf dem Kalvariengürtel beliefen sich die Kosten auf ca. 2 Mio. Schilling. Die Länge dieses Abschnitts betrug 0,7 km. 1957 stand die Strecke (Griesplatz -) Roseggerhaus - Ibererstraße (Länge: ca. 3,5 km) des "3ers" aufgrund des katastrophalen Gleiszustandes zur Disposition. Die Stilllegung erfolgte noch im selben Jahr. Somit verblieben im mittleren Abschnitt quasi neue Gleise.

Diese Causa wurde noch 1970 im Gemeinderat zur Sprache gebracht.

1966 wurden die Gleise aus diesem Abschnitt herausgerissen und in das Streckenstück Glacisstraße ab Rechbauerstraße - Wormgasse der Linie 2 wieder eingebaut, somit eine Weiterverwendung erfuhren, bevor der "2er" 1971 selber eingestellt wurde. Die Gleise liegen bis heute unter einer Asphaltschicht begraben und wurden insgesammt somit nur zehn Jahre lang befahren.

Streckenabschnitt Kalvariengürtel - Hackhergasse

 

 
      Seite aktualisiert am Sonntag, 15. Februar 2015      
    E-Mail - Impressum - Links - Mailinglist/Wiki - You Tube-Kanal - Abkürzungen